FSKB Info 2022
«Vielfalt in Unternehmen ist eine Win-win-Situation»
Der tiefe Frauenanteil in der Kies- und Betonbranche ist eine Tatsache. Jedoch gibt es immer mehr Frauen, die sich bewusst für die Branche entscheiden und die Arbeitskultur, die abwechslungsreichen Tätigkeiten oder die Sinnhaftigkeit der Arbeit schätzen. Sie anerkennen die Fortschritte der Branche im Thema Vereinbarkeit, halten aber auch fest: Es liegt noch Potenzial brach.
Dieser Artikel entstand unter Mitarbeit von 16 Mitarbeiterinnen aus der Kies- und Betonbranche.
Der Fachkräftemangel ist omnipräsent. Praktisch jede Branche ist davon betroffen. Auch die Kies- und Betonbranche. Die bessere Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt ist ein zentraler Lösungsansatz. Um die Chancen der Vielfalt im Unternehmen wirksam ausnutzen zu können, braucht es eine gezielte Planung. Traditionelle Rollenbilder sind beispielsweise zu überdenken und es sind Möglichkeiten zu suchen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Aktuell gibt es keine genauen Zahlen oder Statistiken, wie viele Frauen in der Branche arbeiten, aber der Eindruck täuscht nicht: Sie sind in Kies- und Betonwerken, auf Baustellen oder in LKW ein eher ungewohntes Bild – warum?
Rückmeldungen von Mitarbeiterinnen der Branche zeigen, es gibt viele gute Gründe, warum auch Frauen gerne in der Kies- und Betonbranche arbeiten: Genannt werden das spontane Umfeld und die bodenständige Kultur. Die direkten Kommunikationswege und der ehrliche Umgang. Die flachen Hierarchien und kurze Entscheidungswege. Auch der hohe Selbstständigkeitsgrad sowie die praxisorientierte, praktische und abwechslungsreiche Tätigkeit werden geschätzt. Oder die Sinnhaftigkeit der Arbeit, da der gewonnene Rohstoff uns überall im Alltag begegnet und die Branche beim Abbau Hand in Hand mit der Natur zusammenarbeitet. Die Mitarbeiterinnen schätzen auch, dass die mineralischen Ressourcen geschont oder wenn Innovationen umgesetzt werden.
Zunehmende Vielfalt in Kies- und Betonunternehmen
Auch wenn der Frauenanteil in der Kies- und Betonbranche zunehmend ist: Noch immer haben viele das Bild einer «Männerdomäne» im Kopf und scheuen sich darum, in der Branche Fuss zu fassen. Das liege wohl auch an den persönlichen Interessen der Frauen bei der Berufswahl. Aber auch die körperlich belastenden Arbeiten werden als Gründe genannt. Zudem sei der Umgangston rauer. Das mancherorts noch stark verankerte traditionelle Rollenbild sorge dafür, dass es wenig Teilzeitstellen gebe oder Teilzeitarbeitende nicht gern gesehen seien: «Wer nicht 100% oder mehr arbeitet, wird eher belächelt. Man(n) nimmt sich selbst für viel zu wichtig und glaubt, der Betrieb würde nicht mehr laufen, wenn man einen Tag fehlt.»
Viele Kies- und Betonunternehmen haben das erkannt und machen mittlerweile einiges, um ihre Arbeitsplätze auch für Frauen attraktiv zu gestalten. So schätzen die befragten Frauen insbesondere die familienverträglichen Arbeitszeiten, Angebote zur Reduktion des Arbeitspensums sowie dort, wo es vom Jobprofil möglich ist, Homeoffice-Modelle und die Arbeitszeitflexibilität. Auch Möglichkeiten wie die Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs mit unbezahltem Urlaub werden positiv beurteilt.
Bianca Eckert, Chauffeuse bei der Agir AG: «Manchmal können wir Frauen es auch besser, sei es der Umgang mit Kunden, sei es der erste Eindruck auf der Baustelle, sei es das gepflegte Fahrzeug oder einfach nur die Freude der Kunden, wenn eine Frau aus einem Fahrzeug aussteigt.»
Ilona Bosoppi, Geologin der Risi AG: «Die aktuellen Bedingungen und die wachsenden Vorschriften sind eine spannende Herausforderung. Gleichzeitig ist die Branche generell träge unterwegs, sodass vieles noch angepackt und vorangetrieben werden kann, insbesondere in Bereichen der Digitalisierung und der Prozessoptimierung.»
Bessere Vereinbarkeit und mehr Sensibilisierung gewünscht
Gleichwohl gebe es aber auch grosses Verbesserungspotenzial. Eine spezifische Frauenförderung wird zwar dezidiert abgelehnt. Stattdessen wird vor allem gewünscht, dass Frauen mehr bestärkt werden und die Branche mehr für das Thema Gleichstellung sensibilisiert wird. Die Branche müsse unbedingt vermehrt Zeit- und Arbeitsmodelle anbieten, die eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Arbeit ermöglichen. Denkbar seien noch mehr Jobsharing-Angebote, Teilzeitstellen oder Flexibilisierung von Arbeitszeiten und Arbeitsorten sowie eine Flexibilisierung der Zusammenarbeitsmodelle. Gleichzeitig seien aber auch die Frauen gefordert, solche Optionen verstärkt einzufordern.
Vielfalt in Unternehmen ist eine Win-win-Situation. Frauen weisen Stärken aus, die der Branche zugutekommen. Zum Beispiel wird die Teamdynamik sehr häufig erwähnt. Diese verbessere sich oftmals, wenn Frauen ein Team bereichern, da sie andere Sichtweisen und Eigenschaften einbringen. Ganz grundsätzlich gilt: Gemischte Teams sind wichtig und wirken sich positiv auf die Zusammenarbeit und das Ergebnis aus. Es liegt an jeder und jedem in der Branche selbst, sich zu reflektieren und ein für alle bestmögliches Arbeitsumfeld zu schaffen.
Laure Salingre, HSE(Health-Safety-Environment)-koordinatorin Westschweiz bei der Holcim: «Vielfalt in Unternehmen ist eine Win-win-Situation. Sie sorgt für eine bessere Leistung, Widerstandsfähigkeit, für Innovation in den Unternehmen und ist gut für die Gesellschaft, da sie dazu beiträgt, alle Menschen in das Arbeitsumfeld zu integrieren.»
Monika Hochuli, Geschäftsinhaberin Hochuli AG: «Frauen haben eine andere Denkweise. Eine gesunde Durchmischung fördert das Betriebsklima. Ich hoffe, uns gelingt es, mehr Frauen für die Branche zu gewinnen. Gerade bei Branchenanlässen sind Frauen oftmals untervertreten. Da fühle ich mich manchmal etwas einsam, obwohl ich in den Männerkreisen sehr gut aufgehoben bin.»
Vielfalt und Frauenförderung in Unternehmen ist auch in der Kies- und Betonbranche ein wichtiges Handelsprinzip. Der FSKB leistet hierzu einen Beitrag. Die Rückmeldungen haben gezeigt, dass ein grosses Bedürfnis nach einem Erfahrungsaustausch und einer besseren Vernetzung vorliegt. Aus diesem Grund wird der FSKB im kommenden Jahr hinsichtlich der Vielfalt in Unternehmen weitere Aktivitäten umsetzen.